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Mit der zunehmenden Integration von Tools wie ChatGPT, Copilot oder Gemini in den Studienalltag verändert sich die Art und Weise, wie Studierende lernen und handeln. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie sich Handlungsfähigkeit – also die Fähigkeit, Ziele eigenständig zu verfolgen und zu erreichen – unter dem Einfluss von KI verändert. Anknüpfend an Banduras Konzept der Proxy Agency beschreibt KI-gestützte Handlungsfähigkeit die gezielte Nutzung von KI-Tools, um individuelle Ziele effizienter oder überhaupt erst zu erreichen. Dabei übertragen Studierende bestimmte Aufgaben – wie das Schreiben, Debuggen oder Erklären von Python-Code – an ein KI-System, das stellvertretend für sie handelt. Dieses Phänomen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Unterstützung und Kompetenzverlust: Einerseits können Studierende durch KI scheinbar schneller Ziele erreichen, andererseits droht der Verlust eigener Fähigkeiten und eine Abhängigkeit, wenn Lösungen übernommen werden, ohne sie zu verstehen.
Diesen Fragen widmet sich der Vortrag „(Un-)Reflektierte KI-gestützte Handlungsfähigkeit und ihre Folgen für das Lernen im Bereich Data Science” von Lena Michelle Müller und Rahim Hajji, der im Rahmen der Tagung „MINT digital 2025” vorgestellt wurde. Untersucht wurde eine Lehrveranstaltung zum Thema KI mit Python an der Hochschule Magdeburg-Stendal, in der Studierende uneingeschränkt KI-Tools nutzen durften, um Aufgaben zu bearbeiten und Datenanalysen zu programmieren.
Die zentrale Forschungsfrage lautete: „Welche Form KI-gestützter Handlungsfähigkeit entwickeln Studierende in einem Lernangebot mit uneingeschränktem KI-Tool-Einsatz – und wie wirkt sich diese auf ihren Lernerfolg aus?”
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden Moodle-Logdaten, ein Gruppeninterview sowie Anwendungstests ohne KI ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen zwei deutlich unterscheidbare Formen: – Reflektierte KI-gestützte Handlungsfähigkeit: Studierende nutzen KI-Tools gezielt, formulieren Aufgabenstellungen um, prüfen Zwischenergebnisse und testen generierten Code eigenständig. Sie integrieren KI in ihren Lernprozess, ohne die Kontrolle abzugeben. – Unreflektierte KI-gestützte Handlungsfähigkeit: Studierende übernehmen Lösungen der KI ungeprüft („Copy-Paste“), ohne Zwischenschritte oder Erklärungen nachzuvollziehen. Die KI ersetzt das eigene Denken.
Auffällig ist, dass beide Gruppen den Kurs mit sehr guten Noten abschließen, aber nur die reflektierten Nutzer:innen im anschließenden Anwendungstest ohne KI überzeugende Leistungen zeigen. Das bedeutet, dass es einen Unterschied gibt zwischen formalen Erfolg, also der Note, und tatsächlich erworbener Handlungskompetenz.
Die Studie verdeutlicht somit, dass es in der Hochschullehre nicht nur darum geht, ob Studierende KI nutzen, sondern auch wie sie diese nutzen. Lehrveranstaltungen müssen stärker darauf ausgerichtet werden, reflektierte Strategien der KI-Nutzung zu fördern, beispielsweise durch Lernziele, die Aufgaben mit und ohne KI unterscheiden, sowie durch Prüfungsformate, die beide Aspekte abbilden.
Müller, L. M., & Hajji, R. (2024, September). (Un-)Reflektierte KI-gestützte Handlungsfähigkeit und ihre Folgen für das Lernen im Bereich Data Science. Vortrag auf der Tagung MINT digital – Digitale Lehre im Rahmen der Grundlagenausbildung in MINT-Fächern an Hochschulen, Magdeburg.